Neue Herausforderungen Klimaschutz kontra Kaffeegenuss

Trotz Inflation wollen die Verbraucher keinesfalls auf ihr Lieblingsgetränk verzichten. Doch neue Herausforderungen zeichnen sich ab. Wird Kaffee wegen des EU-Klimaschutzes bald zur Mangelware?

Mittwoch, 17. April 2024 - Sortimente
Theresa Kalmer
Artikelbild Klimaschutz kontra Kaffeegenuss
Bildquelle: Getty Images

In Zeiten von steigenden Preisen und Inflation auf Kaffee verzichten, um den Geldbeutel zu schonen? Das kommt für die meisten Verbraucher in Deutschland nicht infrage, wie der repräsentative Tchibo Kaffeereport 2023 zeigt. Obwohl 46,6 Prozent der Kaffeetrinker durch die Inflation ihre Ausgaben stark einschränken müssen, wollen 57,3 Prozent trotz globaler Herausforderungen keinesfalls auf Kaffee verzichten. Der Grund: Kaffeetrinken mache glücklich (28,8 Prozent) und gebe dem Tag eine wertvolle Struktur (55 Prozent). Das erklärt, warum Kaffee nach wie vor unangefochten ganz oben auf der Liste der deutschen Lieblingsgetränke steht.

Die Ereignisse des letzten Jahres haben jedoch auch die Kaffeeindustrie nicht unberührt gelassen. Laut dem Marktforschungsinstitut Circana verzeichnete der Röstkaffeemarkt im Lebensmitteleinzelhandel 2023 einen Umsatzrückgang von 4,4 Prozent. Bohnenkaffee bleibt dabei mit einem Marktanteil von 33 Prozent nach wie vor das größte Segment. Filterkaffee werde laut Lavazza hingegen immer weniger nachgefragt. Ein Beleg: In deutschen Haushalten gibt es seit Kurzem mehr Vollautomaten (37 Prozent) als Filtermaschinen (36 Prozent).

Klassischer Röstkaffee gilt seit jeher als preisgetrieben, sagt Florian Fritsch, Vertriebsleiter bei Melitta Europa. „Die Bedeutung des Aktionsgeschäfts ist nun noch einmal deutlich gestiegen“, fügt Fritsch hinzu. Das bestätigt auch die von der LP und Bonial durchgeführte Kaffee-Studie: 75 Prozent der Konsumenten geben an, aufgrund der Inflation stärker auf den Kaffeepreis zu achten. Daher greifen 63 Prozent der Befragten fast ausschließlich dann zum Kaffee, wenn er im Angebot ist – und nutzen die Gelegenheit, kräftig zuzuschlagen. „Tatsächlich greifen 76 Prozent der Kaffeetrinker bei attraktiven Angeboten sogar mehrmals zu“, kommentiert Sebastian Kerkhoff, Senior Vice President Brands bei Bonial, die Studienergebnisse. Nestlé reagiert auf dieses Konsumentenverhalten mit verschiedenen Promotions wie etwa Couponings oder themenbezogene Aktionen mit entsprechender PoS-Dekoration. Außerdem sollen Rezeptvorschläge, Gewinnspiele oder Merchandising-Artikel für zusätzliche Impulse sorgen und so Probierkäufe generieren.

Trotzdem bleibt die Qualität des Produkts entscheidend, betont Armin Geiger, Vertriebsleiter bei Dallmayr Kaffee. 47 Prozent der Befragten des 
Tchibo Kaffeereports sind bereit, einen höheren Preis für Kaffee zu bezahlen, wenn die Qualität stimmt. Und einmal von der Qualität einer Marke überzeugt, bleiben viele Verbraucher ihr treu. Laut LP-Umfrage kaufen 71 Prozent der Kaffeeliebhaber maximal zwei verschiedene Marken. Die beliebtesten Marken sind dabei Dallmayr, Jacobs und Melitta (Kantar Media 2023). Letztere und auch viele weitere Marken setzen zudem vermehrt auf konsequent klimafreundliche Kaffeesorten. Doch in diesen schwierigen Zeiten stellt sich die Frage: Was ist dem Verbraucher wichtiger – Nachhaltigkeit oder Preis?

Nachhaltiger Kaffee – Verlierer der Krise?
Seit einigen Jahren beobachten die Hersteller eine kontinuierliche Nachfrage nach nachhaltigem Kaffee. Und auch Karen Laesch, Marketing Direktorin von Lavazza, ist überzeugt: „Nachhaltigkeit ist ein anhaltender Trend und spielt beim Kaffeekauf eine immer größere Rolle. Klimaschutz, ökologischer Kaffeeanbau und soziale Gerechtigkeit entlang der Lieferkette sind für viele Verbraucher wichtige Kriterien.“ Allerdings sei die Aufmerksamkeit und Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für zertifizierte oder nachhaltigere Produkte durch die Krise zeitweise gesunken, berichtet Melitta. Auch Lavazza verzeichnete 2023 eine Zurückhaltung der Käufer, insbesondere bei der Nachfrage nach Bio-Bohnen. Laut einer aktuellen Studie von POS Pulse achtet jedoch mittlerweile jeder vierte Befragte beim Kaffeekauf auf eine Bio-Zertifizierung. Dies veranlasst Lavazza, auch weiterhin auf die nachhaltig produzierte ¡Tierra!-Range zu setzen und diese 2024 weiter auszubauen.

Gemäß dem Tchibo Kaffeereport konsumierten im letzten Jahr 35,2 Prozent der Verbraucher regelmäßig oder immer nachhaltigen Kaffee. Im Jahr 2022 waren es noch 38,5 Prozent. 32 Prozent der Befragten finden nachhaltigen Kaffee einfach zu teuer, während 24,5 Prozent angeben, beim Kauf nicht genau zu wissen, welcher Kaffee wirklich nachhaltig ist. Hier besteht also noch Bedarf an Aufklärung seitens der Hersteller und des Handels.

Verbände befürchten Kaffeeknappheit
Nachhaltigkeit bleibt also ein wichtiges Thema im Kaffeesektor, insbesondere aufgrund der massiven Auswirkungen des Klimawandels auf die Kaffeeanbaugebiete. Studien zufolge könnten bis 2050 50 Prozent der heutigen Kaffeeanbauflächen verloren gehen. Dies wird durch die Rodung tropischer Wälder zur Deckung der Nachfrage nach Produkten wie Kaffee begünstigt. Die EU will dem einen Riegel vorschieben und hat deshalb die Importregeln verschärft. Die neue Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR) trat Ende Juni 2023 in Kraft und muss bis spätestens Dezember 2024 umgesetzt werden. Die Verordnung erfordert von Unternehmen eine Erklärung, dass für ihr Produkt seit dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder beschädigt wurde. Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten, drohen hohe Strafen von mindestens vier Prozent ihres Jahresumsatzes in der EU.

Der deutsche Kaffeeverband befürchtet aufgrund der neuen Verordnung nun ab 2025 einen Kaffeemangel sowie signifikant steigende Preise und fordert daher eine Verschiebung der neuen Regelung. Die EU-Kommission widerspricht dieser Annahme und rechnet mit nur begrenzten Auswirkungen auf die Preise der betroffenen Rohstoffe. Auch Dallmayr äußert Bedenken und befürchtet einen Verlust der europäischen Kaffeevielfalt durch den hohen bürokratischen Aufwand für Kleinbauern. Diese könnten laut Geiger schließlich ohne viel Bürokratie in andere Länder exportieren. „Da ist doch klar, dass das Rohstoffangebot an Europa leiden oder die von den Europäern bezahlten Preise steigen werden oder beides – was wir befürchten“, sagt Geiger. Auch Melitta hat sich in einer Stellungnahme zur Verordnung geäußert. Wie andere große Hersteller, unter anderem Lavazza und Darboven, wolle man sich an die EU-Gesetzgebung halten und unterstütze deren Ziele, fordere aber ebenfalls eine Verschiebung der Umsetzung, um den Anforderungen in den Anbaugebieten gerecht zu werden. Die genauen Auswirkungen der Verordnung auf den deutschen Kaffeemarkt bleiben daher noch offen.

Diese Trends erwarten den Markt 2024
Trotz der Sorge um mögliche Versorgungsengpässe auf dem EU-Markt lassen sich die Hersteller nicht von ihrer Innovationskraft abbringen. Besonders im Trend liegen in diesem Jahr hochwertige Kaffees für den Heimgebrauch. So hat Dallmayr eine spezielle Home-Barista-Linie eingeführt, die zudem den anhaltenden Trend zur ganzen Bohne aufgreift. Auch Melitta beobachtet eine „Demokratisierung hochwertigen Kaffees“. „Kaffees auf Spezialitäten-Niveau werden zu einem günstigeren Preis einer breiteren Verbraucherschaft zugänglich gemacht“, erklärt Andrea Mohr, Leiterin Produktmanagement bei Melitta. Lavazza und Nestlé setzen mit ihren diesjährigen Produktneuheiten unter anderem verstärkt auf die Nachfrage nach entkoffeiniertem Kaffee, vor allem in der jungen Zielgruppe.

Auch Kaffee mit verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Karamell und Vanille wird für Nestlé 2024 ein unverzichtbarer Trend sein.

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