Milchalternativen Preis bremst vegane Produkte

Der noch junge Markt der pflanzlichen Löffelbaren wächst – und zwar kontinuierlich. Vor allem, wenn die Produkte geschmacklich an die Originale aus Milch herankommen.

Mittwoch, 17. April 2024 - Sortimente
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Preis bremst vegane Produkte
Bildquelle: Mirco Moskopp

Egal ob Hafer, Soja oder Kokos ‒ pflanzliche Milchalternativen sind nicht nur in flüssiger Form, sondern auch zum Löffeln inzwischen Trend. Mehr noch: „Sie sind ein Wachstumsmarkt sowie eine der Säulen im Plant-based-Bereich und bereits mitten in der Gesellschaft angekommen“, zeigt ein Pressespre­cher der Rewe Group auf, welche Bedeutung vegane Joghurts und Desserts mittlerweile haben. Im vergangenen Jahr bekamen die Senkrechtstarter jedoch einen Dämpfer. „Vegane Desserts hatten es 2023 schwerer und konnten sich nicht positiv entwickeln, da die Shopper unter dem Eindruck der Inflation sowie dem Gefühl, sparen zu müssen, häufiger zu milchbasierten Produk­ten gegriffen haben“, resümiert Carsten Haber­mann von DMK. Die waren meist billiger zu haben als die pflanzlichen Nachahmerprodukte. Ganz aktuell erhole sich der Markt aber wieder, erläutert René Roth, Chief Commercial Officer bei Zott, auf Nachfrage der LP.

Dennoch ließen sich Konsumenten diese Er­satz­pro­dukte etwas kosten, wie die Zahlen des Marktforschungsinstituts NIQ zeigen. So shoppten Kunden 2023 für insgesamt 185,6 Millionen Euro pflanzliche Löffelalter­nativen – auch wenn meist Handelsmarken und nicht Markenwaren in den Einkaufswagen landeten. Sei’s drum. Mit dem Griff zu den milchlosen Alternativen nimmt man den etablierten Kuhmilchsegmenten Stück für Stück Marktanteile ab. Wenn auch noch kleine. So haben bei Naturjoghurts die veganen Vertreter inzwischen etwas mehr als 5 Prozent am Markt, und bei den Fruchtva­rian­ten sind es etwas mehr als 4 Prozent. In den Kinderschuhen stecken noch pflanzliche Desserts. Die sind mit 1,2 Prozent Marktanteil ­derzeit am schwächsten unter den Löffelbaren vertreten. Über alle Teilsegmente gesehen, wächst der Markt beim Umsatz. So legten die veganen Genussvertreter aus dem Moproregal allein 2023 ein ausschließlich umsatzgetrie­be­nes Wachstum von 5,5 Prozent zum Vorjahr hin (Absatzrückgang 2,7 Prozent).

Kein Wunder, denn es sind längst nicht mehr nur Veganer, die zu Erdbeerjoghurt oder Schokopudding auf Pflanzenbasis greifen. Ganz im Gegenteil, die Gruppe der – nennen wir sie einmal – „vegan-vegetarischen Flexitarier“ pusht das noch recht junge Segment. Also Verbrau­cher, die sich vor dem Moproregal auch mal für einen pflanzlichen Genuss entscheiden. Sie wollen weniger tierische Produkte konsumieren, ohne dabei gänzlich auf Milchprodukte zu verzichten. Kein Entweder-oder, sondern eine friedliche Koexistenz. Wer hin und wieder mal zum veganen Pudding greift, „bevorzugt aus gesund­heitlichen, geschmacklichen oder ethischen Gründen pflanzliche Alternativen gegenüber den tierischen Pendants“, weiß Lea Rühle vom Marktforschungsunternehmen Yougov.

Schmecken muss es
Doch auch wenn Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte beim Griff zur Milchalternative im Fokus stehen, gilt für den veganen Erdbeerjoghurt wie für die Variante aus Kuhmilch: Schmecken muss er. So gab bei einer repräsentativen Studie im Februar 2024 die Mehrheit an, dass der ­wichtigste Faktor beim Kauf veganer Milchalternativen der Geschmack sei. Für die Befragung hat das Marktforschungsunternehmen Yougov 2.038 Personen über 18 Jahre in Deutschland interviewt. Geschmack ist, was den Markt pusht, bestätigt die Presseabteilung des Handelsriesen Rewe: „Treiber der Entwicklung sind neben der Preisparität zu tierischen Artikeln auch verbesserte Rezepturen, die zu einem klar verbesserten Geschmack verhelfen.“
Produktentwicklungen hin zum „richtigen“ Geschmack scheinen das A und O zu sein, um im Markt bestehen zu können. „Wettbewerber haben teilweise Produkte auf den Markt gebracht, die zwar gekauft wurden, aber dann schnell an Bedeutung verloren haben“, so Leonie Bartsch, Senior Brand Manager für Müller Milchreis, Dessert & Vegan. Daraus folgert sie: „Die Vermutung liegt nahe: Nur wer schmeckt, der bleibt.“ Auch Frank Mayerhofer, Director Marketing & Innovation bei der Privatmolkerei Bauer, berichtet von vielen Newcomern, die teilweise schnell wieder verschwunden sind: „Die Gründe dafür sind häufig Geschmacksdefizite [...].“

Und guten Geschmack definieren „vegan-vegetarische Flexitarier“ mit „schmeckt wie ein Kuhmilchjoghurt oder -dessert“. Waren vor einigen Jahren beispielsweise erbsenbasierte Produkte nahezu ungenießbar, sind es inzwi­schen die „Originale“ aus Kuhmilch, die für Produktentwickler als Vorbilder dienen. Und dann auch vor dem Moproregal ihre Käufer finden. „Der Kunde hat eine klare Vorstellung davon, wie eine Joghurtalter­na­tive auszusehen und zu schmecken hat“, weiß man bei Rewe. Soja sei die Nummer eins in der Verarbeitung. Aktuell sehen die Handelsexperten auch Wachstums­poten­ziale bei Kokos. Beide Rohwaren hätten den großen Vorteil, dass man sie geschmacksneutral verarbeiten könne und sie einem Joghurt in Konsistenz und Farbe sehr ähnlich seien. Überraschenderweise habe man festgestellt, dass Hafer – vielleicht auch aufgrund dieser fehlenden Eigenschaften – nicht gut angenom­men wird. „Das war ein Learning, das wir aufgrund der Dominanz im Bereich Milchalternativen so nicht erwartet hatten“, so der Rewe-Sprecher.

Joghurt, vegan oder vegetarisch, soll nach Joghurt schmecken. Beim Griff zu pflanzlichen Produkten seien vielen Konsumenten die Basiszutaten nicht unbedingt bewusst, meint Leonie Bartsch. Und so wird auf Herstellerseite expe­ri­mentiert. Denkverbote gibt es keine. So setzt die Privatmolkerei Bauer auf eine Kombination aus „geretteten“ Aprikosenkernen aus dem Upcyc-ling sowie Hafer oder Ackerbohnen für ihre veganen Produkte unter der Marke „Zum Glück!“. Ziel ist es, „sensorisch sehr nah an Milchprodukte heranzukommen“, erklärt Frank Mayerhofer. Das sei die klare Erwartungshaltung der Verbraucher an die Produkte. „Damit lösen unsere Produkte ein teilweise noch bestehendes Geschmacksdefizit in der veganen Kategorie der Molkereiproduktalternativen positiv auf.“

Müller setzt bei seinen löffelbaren Ersatzprodukten auf eine Kokosbasis, weil „sie beson­ders cremig ist und so einen puren Genussmo­ment kreiert“, begründet die Brand-Managerin. Genuss mit gutem Gewissen, das will auch Zott den Käufern seiner veganen Joghurts bieten, „daher suchen wir in intensiven und zeitauf­wendigen Prozessen stets nach den idealen Rohstoffen für das jeweilige Produkt“, beschreibt Chief Commercial Officer René Roth den Entwicklungsprozess. Zott hat das vegane Sortiment im vergangenen Jahr um einen Schokopudding auf Mandelbasis erweitert. Danone launcht gerade einen pflanzlichen Joghurt auf Sojabasis mit Namen „Lemon Cheesecake“ unter der Marke Alpro.

Nachhaltig verpackt
Neben dem Geschmack spielt bei den neuen „Löffeltypen“ auch die Verpackung eine Rolle. Studien weisen darauf hin, dass pflanzliche Produkte gekauft werden, um sich sozial abzugrenzen. Im Trend sind daher auch differenzierte, nachhaltige Zusammensetzungen bei der Verpackung. Becher, die aus recyceltem Material bestehen oder recycelt werden können, punkten bei den Shoppern. So setzt Bauer für seine „Zum Glück!“-Produkte auf Tetra-Pak-Verpackungen, die komplett aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. „Bei unseren Löffelprodukten sollten Verbraucher die Papier-Banderole vom Becher trennen, den Deckel abtrennen und getrennt voneinander entsorgen“, beschreibt Frank Mayerhofer für die Molkerei Bauer.

Viele Konsumenten setzen beim Kauf von Ersatzprodukten zudem auf große Becher. Das liege, so der Rewe-Sprecher, daran, dass Jo­ghurt­alter­nativen oftmals in Verbindung mit Cerea­lien für Müsli und Co. weiterverarbeitet werden. „Die großen Becher, aus denen meist mehrere Portionen entnommen werden können, sind somit auch eine nachhaltige Lösung, um Verpackungsmüll einzusparen“, so Mayerhofer.

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