Interview mit Stefan Hans Jost - Orior Verkostung wirkt gegen Vorurteile bei Vegi-Artikeln

In der Schweiz gibt es ungefähr genau so viele Vegetarier wie in Deutschland, das allerdings zehn Mal mehr Einwohner zählt. Vegetarische Produkte hätten bei uns noch entsprechend viel Potenzial, sagen Marktkenner. Händler gehen aktiv auf Hersteller zu.

Dienstag, 30. November 1999 - Hersteller
Christina Steinheuer
Artikelbild Verkostung wirkt gegen Vorurteile bei Vegi-Artikeln
Bildquelle: Orior

Die Orior Gruppe (rd. 500 Mio. CHF Umsatz; 1.300 Mitarbeiter; 11 Produktionsstandorte) ist auf die Herstellung von Frische-Convenience inklusive vegetarische Spezialitäten und auf die Fleischveredelung spezialisiert. Mit dem Stammgeschäft der Fleischveredelung (Bündnerfleisch, Salami, luftgetrockneter Rohschinken, Salsiz) generiert Orior knapp 60 Prozent seines Umsatzes, 40 Prozent werden mit vegetarischen Artikeln erzielt (z. B. Marke Nature Gourmet) sowie frischen Fertiggerichten, Frischteigwaren, Pâtés und Terrinen im Sektor Frische-Convenience. Die wichtigsten Exportmärkte sind Deutschland, Österreich und Frankreich.

Orior ist in Deutschland vor allem durch seine Marke Albert Spiess bekannt, also für Fleischwaren. Mit Ihrer Marke Nature Gourmet zielen Sie auf Vegetarier. Wie passt das zusammen?
Stefan Hans Jost, CEO Orior AG: Das eine schließt das andere nicht aus. Mit unseren vegetarischen Artikeln möchten wir Vegetarier und „Fleischreduzierer“ ansprechen. Übrigens lassen sich unsere vegetarischen Produkte auch mit Fleisch kombinieren, die Gemüseecke etwa oder als Vorspeise Bündnerfleisch und dann ein Vegi-Cordon-Bleu.

Ihre vegetarischen Artikel hätten einen „einzigartig fleischähnlichen Geschmack“ sagen Sie. Warum immer der Bezug zu Fleisch?
Da es sich noch um eine junge Kategorie handelt, geben Anlehnungen an bekannte Geschmackserlebnisse Kunden Orientierung. Viele Vegetarier sind ehemalige Fleischesser, die die Textur und den Biss von Fleisch missen. Außerdem sprechen wir auch Personen an, die gesünder leben möchten, ohne auf Genuss zu verzichten. Selbst im Schweizer Vegetarier-Markt, der viel weiter entwickelt ist, besteht eine starke Anlehnung an Fleisch.

Wo im Laden ist der richtige Ort für vegetarische Convenience?
Die beste Platzierung ist der Kühlsektor bei Fertiggerichten und Frischpasta. So wird es auch erfolgreich in der Schweiz gehandhabt. Eine Verbannung in die vegetarische Spezialitäten- oder Diätecke schränkt die Entwicklung ein, da suchen nur erklärte Vegetarier die Produkte. Sehr gute Erfahrungen haben wir auch in der Grilltheke mit Grillspezialitäten gemacht. Bei großen Märkten ist eine Zweitplatzierung wichtig, da der Konsument noch nicht so recht weiß, wo er die Produkte finden kann.

Was kann der deutsche Markt von der Schweiz lernen?
Der Schweizer Markt ist in der Entwicklung zehn Jahre voraus, hat eine größere Sortimentsvielfalt. Der Schweizer LEH hat das Potenzial viel früher erkannt und pro-aktiv gefördert. Allerdings haben wir den vegetarischen Grillteller zuerst in Deutschland erfolgreich eingeführt, die Schweiz hat beim Grillboom 2012 nachgezogen.

Welche Erfahrungen haben Sie in der Preispolitik gemacht?
Qualität darf etwas kosten! Gerade weil negative Geschmacksvorurteile bestehen, ist es wichtig, dass der Konsument ein positives Genusserlebnis hat. Wir konnten die Kunden bisher immer mit Verkostungen überzeugen – nach der Verkostung ist der Preis meistens kein Thema mehr.

Essen Sie manchmal vegetarisch?
Selbstverständlich. Ich bin zwar kein Vegetarier, aber ich mag Nature Gourmet als Alternative und Ergänzung, weil es schmeckt und ich mir damit etwas Gutes tun kann. Ein positiver Nebeneffekt ist die rasche und einfache Zubereitung.

Welche Erwartungen haben Sie für Orior und Nature Gourmet?
Orior hat sich zum Ziel gesetzt, 25 Prozent des Umsatzes im Ausland zu erzielen. Wir sind auf gutem Weg und haben in den letzten Jahren unseren internationalen Anteil kontinuierlich gesteigert. Mit Nature Gourmet wollen wir eine führende Position im europäischen Markt für vegetarische Spezialitäten aufbauen.

Und wie wollen Sie dieses Wachstum erreichen?
Wir wollen die Präsenz in den schon bearbeiteten Ländern stärken und neue Kategorien aufbauen, zudem natürlich auch neue Märkte erobern. Für die vegetarischen Produkte wollen wir unseren Kulinarik-Vorteil weiter ausbauen und Marktentwicklung betreiben.

Wohin liefern Sie bereits Nature-Gourmet-Produkte?
In Deutschland findet der Konsument Nature Gourmet-Produkte in vielen Edeka-Geschäften, bei Hit, Globus, Galeria Kaufhof, in einigen Rewe-Häusern und ausgewählten Feinkostläden. Im Moment spüren wir ein aktives Interesse an unseren Produkten von vielen Handelspartnern. In Österreich liefern wir vegetarische Produkte unter deren Eigenmarke Veggie an die Spar.

Bild: Stefan Hans Jost, CEO Orior AG

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