Zur Mühlen Gruppe „Der Markt ist in Bewegung geraten“

CEO Axel Knau über die Gründe für das Wachstum der zur Mühlen Gruppe in Zeiten der Marktkonsolidierung.

Freitag, 03. Mai 2024 - Fleisch
Jens Hertling
Artikelbild „Der Markt ist in Bewegung geraten“

Wie ist die wirtschaftliche Situation der zur Mühlen Gruppe (ZMG)?
Wie die gesamte Branche stehen natürlich auch wir vor großen Herausforderungen. Der starke Kostendruck im vergangenen Jahr war vor allem durch hohe Energiekosten und Personalkostensteigerungen geprägt. Wir haben uns jedoch im letzten Jahr durch umfangreiche Maßnahmen schlank gemacht und sind damit fit für die Zukunft aufgestellt. Dank unseres Vertriebsmixes aus Marken, Eigenmarken, nationalem und internationalen Geschäft, Fleisch- und Fleischalternativen sehen wir uns gut für die Zukunft aufgestellt. Wir wachsen in einem sich konsolidierenden Markt. Im vergangenen Jahr wurde ein Umsatz von über 1 Milliarde Euro erwirtschaftet.

Mit welchen weiteren Belastungen rechnen Sie?
In diesem Jahr werden in unserer Branche vor allem die nochmals steigenden Lohnkosten, die Erhöhung der LKW-Maut, sowie die Erhöhung der CO2-Abgabe die Kostentreiber sein.

Betrachten Sie die derzeitige Wirtschaftslage als Krise?
Ich sehe die aktuelle Situation nicht grundsätzlich als Krise, sondern vielmehr als Momentum, in der sich jedes einzelne Unternehmen hinterfragen muss, um sich für die Zukunft aufzustellen. Zweifelsfrei findet in der Branche derzeit eine Konsolidierung statt. Hierin liegt aber auch für viele eine Chance.

Wie ist die aktuelle Situation in Ihrem Unternehmen?
Zentrale Erfolgskriterien der zur Mühlen Gruppe sind die Spezialisierung der eigenen Produktionsbetriebe, der Fokus auf Regionalität und die gleichbleibend hohe Qualität. Wir treiben die höheren Haltungsformen, bis hin zu Bio weiter voran. Wir sind Marktführer in einigen Segmenten. Unsere starken Marken, die im Handel einen hohen Stellenwert haben, helfen uns dabei.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von starken Marken?
Derzeit sieht es so aus, dass der Handel vor allem starke Marken überwiegend in der Aktion verkauft. Eine Bevorratung durch die Kunden findet im Bereich der Wurstwaren aufgrund der Haltbarkeit der Produkte jedoch nicht statt. Daher ist die Auslastung unserer Produktion relativ konstant.

Wie könnte Ihnen der Staat helfen?
Der Staat sollte sich um den Abbau der Bürokratie kümmern, die leider immer mehr zunimmt. Dies gilt sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Ich wünsche mir auch, dass in der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Hinzu kommt, dass die vorgesehene Finanzierung, um die Tierhaltung umzustellen, nicht ausreichend ist. Die Landwirte haben keine Planungssicherheit.

Wie ist Ihr Urteil über die Arbeit der Bundesregierung?
Eine neue Regierung braucht immer eine gewisse Anlaufzeit. Im Moment habe ich das Gefühl, dass die Branche endlich Gehör findet. Kürzlich fand in Berlin ein von der Tönnies-Forschung organisiertes Symposium statt, das von zahlreichen Politikern besucht wurde und auf großes Interesse stieß. Ich habe inzwischen den Eindruck, dass Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im Amt angekommen ist und Entscheidungen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Landwirtschaft trifft.

Was kritisieren Sie an der Regierung?
Ich wünsche mir, dass die Politik die Verbraucher als mündige Bürger wahrnimmt, die selbst entscheiden können, wie sie leben und arbeiten. Sie sollen selbst entscheiden, was sie essen können und was ihnen schmeckt.

Inwieweit behindern neue Gesetze wie das Lieferkettengesetz oder die CSRD Ihre Arbeit?
Wir sind ein Unternehmen, das sich stark für eine nachhaltige Entwicklung engagiert. Die Einbeziehung der Lieferanten ist dabei selbstverständlich. Die Zielsetzung des Gesetzes zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ist absolut begrüßenswert. Wichtig ist auch die Tatsache, dass es nun für alle Länder in der Europäischen Union gültig ist.

Machen Sie sich Sorgen über die Zukunft von Wurst?
Nein, im Gegenteil. Ich bin begeistert von der Tierhaltung in der Kreislaufwirtschaft und von all den tollen Rezepten, Geschmäckern und Arten der Zubereitung. Deutschland ist im In- und Ausland für seine gute Wurst bekannt und wird es auch in Zukunft sein.

Ist die Veggie-Entwicklung eine Gefahr für den Wurstmarkt?
Der Markt ist in Bewegung geraten. Während der Markt für Fleisch- und Wurstwaren auf weiterhin hohem Niveau bleibt, stagniert der Markt für vegetarische und vegane Produkte erstmal weiter in der Nische. In Deutschland gab es eine kurze Phase, in der Veggie-Produkte überproportional gelistet wurden. Das nimmt jetzt wieder etwas ab. Ich sehe die vegetarischen Produkte als eine Ergänzung zu unserem gesamten Portfolio.

Früher war immer die Rede davon, dass die deutsche Wurst ein Erfolgsprodukt sei...
Das ist immer noch so. Deutschland ist und bleibt die führende Wurstnation. Die hervorragenden Rohstoffe, die große Produktvielfalt und die weltweit bekannten Spezialitäten machen deutsche Wurstwaren einzigartig und zu einem der traditionsreichsten Bereiche der Lebensmittelherstellung. Aber auch die Entwicklung im Tierwohl und den Haltungsformen stärkt die Vorreiterrolle Deutschlands in Europa!

Was macht die deutsche Wurst so einzigartig?
Deutsche Wurst ist weltweit gefragt und begehrt. Dies ist auf den Bekanntheitsgrad und die Tradition der Region, vor allem aber auf die Qualität der Produkte und der Rohstoffe zurückzuführen. In Deutschland wird wahrscheinlich die beste und nachhaltigste Landwirtschaft der Welt betrieben. Die Kleinstrukturiertheit der deutschen Höfe und die Familienbetriebe sind ein enormer Wettbewerbsvorteil. Sie garantieren höchste Rohstoffqualität, gepaart mit einem hohen Maß an Verantwortung zu Mensch, Tier und Umwelt. Dort leben Familien, die sehr professionell mit den Tieren umgehen. Sie sind stolz auf ihre Produkte und leisten hervorragende Arbeit. Diese Form der Landwirtschaft muss aber weiter gefördert werden. Sie ist das Rückgrat der Fleisch- und Wurstwarenindustrie, aber auch des gesamten ländlichen Raumes in Deutschland.

Man hat immer den Eindruck, dass andere Länder ihre Wurst besser vermarkten...
Ich bin da anderer Meinung. Spanien und Italien haben natürlich Ihren Parma- oder Iberico Schinken, vielleicht noch die italienische Salami und Mortadella, sowie die Chorizo. Was kommt danach?  In Deutschland gibt es mehr als 250 verschiedene Wurst- und Schinkenhersteller, die 1.000 unterschiedliche Produkte von höchster Qualität herstellen. Würstchen in Spitzenqualität im Naturdarm mit Buchenholz geräuchert kommen aus Deutschland und sind weltweit beliebt. Vielleicht kommen die Japaner noch annähernd an die Qualität ran, aber die haben es von uns kopiert.

Was unterscheidet die ZMG von anderen Firmen?
Wir haben die letzten Jahre dafür genutzt uns selber zu konsolidieren, die jeweiligen Betriebe neu auszurichten und durch die Spezialisierung einzelner Produktionsbetriebe z.B. auf Brühwurst, Edelschimmelprodukte oder Convenience die Effizienz, Qualität und Sicherheit in der Produktion zu erhöhen. Wir haben in den letzten 3 Jahren die Automatisation durch modernste Verarbeitungstechnologien vorangetrieben und die Effizienz gesteigert. Diese konsequente Weiterentwicklung sichert der zur Mühlen Gruppe die Qualitäts- und Kostenführerschaft. Trotz allem ist es uns mindestens genauso wichtig, Nischen oder Mehrwertprogramme abzubilden, die unseren Kunden gerade in den letzten Jahren mehr und mehr von uns erwarten. Unser Fokus ist immer zum Kunden orientiert und wir wollen in jeder Hinsicht Problemlöser sein. Wir leben komplett für die Wurst und für das, was wir erfolgreich mit 5.500 Kollegen tagtäglich tun.

Halten Sie den Verzehr von Fleisch für gesund?
Viel entscheidender als meine persönliche Meinung sind doch die wissenschaftlichen und fachlichen Einschätzungen. Und die sind eindeutig: Fleisch und Wurst sind für eine gesunde und ausgewogene Ernährung unerlässlich.

Könnten Sie das bitte konkretisieren...
Auf die Dosis kommt es an - gesunde Mischkost ist wichtig. Die Welternährungsorganisation stellt dazu fest: Wir brauchen Lebensmittel tierischen Ursprungs für die Ernährung der Menschen. Führende Mediziner warnen schon jetzt vor den Folgen einer Mangelernährung, wenn man komplett auf tierische Proteine verzichtet.

Wird in Deutschland wegen der Inflation weniger Wurst gegessen?
Es ist immer eine Frage des Preises. Die gestiegene Preissensibilität der Verbraucher ist meiner Meinung nach eine Folge des Gefühls der Unsicherheit in der heutigen Zeit.

Im vergangenen Jahr wurde die Eberswalder Gruppe in die ZMG integriert. Wie geht es hier weiter?
Eberswalder ist die Nr.1 Marke aus dem Osten und hat vor allem in den neuen Bundesländern einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. Keine Marke ist im letzten Jahr in der Kategorie Brühwurst so stark gewachsen wie Eberswalder. Die Hauptprodukte Bratwurst, Bockwurst und Salami fügen sich sehr gut in unser Portfolio ein. Darüber hinaus sind wir in der Weiterentwicklung eines regionalen Herkunftskonzeptes für Eberswalder Frischepack Wurstwaren, sowie frischem Rinder- und Schweinefleisches aus der Region. Eberswalde wird operativ wie bisher von Sebastian Kühn verantwortet und weiterentwickelt. Das bisherige Management wird weiterhin an Bord bleiben und die Arbeitsplätze bleiben erhalten.

Es gibt Überlegungen, einen Teil der Produktion von Veggie aus Böklund nach Eberswalde zu verlagern...
Die Fleisch- und Fischalternativen werden überwiegend in unserem Werk in Böklund hergestellt. Die Produktion erfolgt in einer von der Fleischproduktion getrennten Halle. Aufgrund der Verkaufserfolge unseres Veggie-Segments unter der Marke Gutfried stoßen wir dort aber an unsere Kapazitätsgrenzen. Derzeit sind wir dabei, die Möglichkeiten der Auslagerung der Produktion der Fleischalternativen zu prüfen. Wir denken darüber nach, im Eberswalder Werk eine klar abgegrenzte Abteilung für vegan-vegetarische Produkte einzurichten und unsere vegane Produktion dort zu erweitern. Der Vorteil ist, dass sich in Eberswalde der Berliner Markt für Veggie-Produkte direkt vor der Haustür befindet.

Wie ist die Organisation bzw. der Aufbau der ZMG?
Die zur Mühlen Gruppe ist mit 14 Standorten in Deutschland und Polen vertreten. Alle Standorte sind als eigenständige Unternehmen organisiert.

Wie sieht Ihre Strategie für die Zukunft in Deutschland aus?
Wir wollen auch in Zukunft Lebensmittel Made in Germany produzieren. Hochwertige und nachhaltige Lebensmittel, deren Rohstoffe von deutschen Landwirten stammen, die wir verarbeiten und veredeln.

Sind Sie auf der Suche nach Möglichkeiten für weitere Akquisitionen?
Wir besuchen immer wieder Unternehmen und werden auch immer wieder darauf angesprochen. Aber es muss für beide Seiten stimmen.

Wie ist die ZMG für die Zukunft aufgestellt?
In den vergangenen Jahren haben wir kontinuierlich in unsere Standorte investiert - zum Beispiel in den Ausbau und die Modernisierung unserer Produktionsanlagen. Das werden wir auch in Zukunft machen. Da wir sehr gut aufgestellt sind, blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft.

Welche Haltungsformen bieten Sie dem Handel an?
Wir sind in der Lage, alle Haltungsformen für den Handel zur Verfügung zu stellen. Der Handel bestimmt, wie schnell wir welche Haltungsformen liefern.

Wie denken Sie über das neue Tierwohlkennzeichen?
Es ist gut, dass es endlich zu einer Einigung gekommen ist. Darauf lässt sich nun aufbauen.

Wie geht es mit der Initiative Tierwohl (ITW) weiter?
Für mich ist die ITW eine Erfolgsgeschichte - sie hat sehr gute Arbeit geleistet. Wo wir heute stehen, ist letztlich auch ein Erfolg der ITW. Die Erfolgsgeschichte der Initiative Tierwohl soll und muss fortgeschrieben werden.

Beim Tierwohl geht der deutsche Handel jetzt voran. Aldi und Rewe wollen ihr Frischfleisch bis 2030 auf die Haltungsstufen 3 (Außenklima) und 4 (Bio) umstellen. Wie denken Sie darüber?
Wir sind bereit: Wir können alles erreichen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Selbstverständlich muss auch die Politik ihren Beitrag leisten. Es ist auch immer eine gute Idee, sich Ziele zu setzen. Am Ende des Tages steht immer der Kunde mit seinen Wünschen im Mittelpunkt.

Was gibt es Neues über die Marke Gutfried zu berichten?
Die Marke „Gutfried“, die vor mehr als 50 Jahren ins Leben gerufen wurde, bereitet mir sehr viel Freude. Seit der Übernahme durch die ZMG im Jahr 2015 haben wir Gutfried in einem hart umkämpften Markt zu neuem Glanz verholfen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ausbau des Vertriebs der Marke Gutfried. Er ist gut vorangekommen. Auf dem Geflügelmarkt ist Gutfried mit seiner Wurst seit sechs Jahren ununterbrochen die Nummer 1. Der erste vegane Lachsschinken von Gutfried ist neu auf dem deutschen Markt. Modifizierte Stärke, Ackerbohnen und Rapsöl sind die Basis.

Wie stark sinkt ihr Umsatz durch Konsumzurückhaltung und Veggie-Trend?
Unser Umsatz geht glücklicherweise nicht zurück. Wir sind in der Lage vor allen Dingen durch Innovationen, aber auch durch Zukäufe weiter zu wachsen.

Wie lassen sich nachhaltige Produkte trotz wachsenden Preissensibilität der Verbraucher verkaufen?
Der Preis wird in Deutschland immer eine wichtige Rolle spielen. Derzeit verkauft der Handel sehr viel Markenware in der Aktion. Es ist aber auch eine Chance für uns, dort mit unseren Produkten zu punkten und damit zusätzliche Umsätze zu generieren. Langfristig werden sich Produkte nur verkaufen lassen, wenn sie nachhaltig produziert wurden.

Wie wird sich dies im Bereich des Handels weiter entwickeln?
Am Verkauf nachhaltiger Produkte wird in Zukunft kein Händler mehr vorbeikommen. Aber klar ist auch, dass das Preisleistungsverhältnis immer eine Rolle spielen wird.

Sollten Rabattschlachten des Handels in Zukunft außen vor bleiben?
In diese Fragen wollen und können wir uns nicht einmischen. Ich würde mir wünschen, dass es nicht zu einem ruinösen Wettbewerb kommt.

Bleibt Fleisch weiter das Kerngeschäft der Zur Mühlen Gruppe?
Wir dürfen unsere Identität nicht aufgeben. Wir stehen für Fleisch und Wurst - aber wir können auch Veggie oder Convenience. Wir haben für beide Bereiche tolle Teams mit langjährigen und erfahrene Kollegen, die einen tollen Job machen.

Ist der Veggie-Hype vorbei? Lässt die Krise den Markt schrumpfen?
Nein, der Markt wird Bestand haben und sich weiterentwickeln. Wir werden das weiter beobachten oder weiterverfolgen. Veggie wird auch weiterhin eine Nische bleiben, die sich nach oben und nach unten entwickeln wird. Wir werden uns auch in Zukunft an dieser Entwicklung beteiligen und als Lebensmittelhersteller in diesem Segment eine wichtige Rolle spielen.

Wie hoch ist der Umsatz mit veganen Produkten?
In diesem Jahr werden wir mit der gesamten „Grünen Linie“ 55 Millionen Euro umsetzen. Zu dieser Linie gehören nicht nur die Marken Gutfried und Eberswalder, sondern auch die Eigenmarkenproduktion für den Handel. Ich sehe hier einen zunehmenden Trend zu Handelsmarken.

Wie denken Sie über In-Vitro?
Das ist ein spannendes Thema, zu dem wir uns ständig auf dem Laufenden halten. Ich bin sehr gespannt auf die weitere technische Entwicklung. Das kann für uns interessant werden, aber ich kann im Moment noch nicht sagen, wie schnell das gehen wird. Faktoren wie Produktion oder Energieverbrauch werden ebenfalls eine Rolle spielen.

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