Interview Prof. Schröder Über alle Kanäle

Stationär und Online: Wie Multichannel-Aktivitäten erfolgreich funktionieren und was zu beachten ist, das beleuchtet die Veranstaltung „Handel trifft Hochschule".

Donnerstag, 24. März 2011 - Management
Susanne Klopsch und Dieter Druck
Artikelbild Über alle Kanäle
Prof. Hendrik Schröder, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Handel der Universität Duisburg-Essen
Bildquelle: Hoppen

Monokultur war vorgestern, heute muss der Händler seinen Kunden mehr bieten als nur einen Kanal: Multichanneling, also stationärer und Online-Vertrieb, ist die Chance, neue Kundengruppen anzusprechen und die alten zu halten. Was der Einzelhandel dabei beachten muss und welche Beispiele es hierzulande gibt, das berichtet im LP-Interview Prof. Hendrik Schröder, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Handel der Universität Duisburg-Essen. Das Thema steht auch im Mittelpunkt der nächsten Veranstaltung von „Handel trifft Hochschule" am 13. Mai (siehe weiter unten)

Wie schätzen Sie die aktuellen Multichannel-Aktivitäten des deutschen Lebensmittelhandels ein?
Prof. Dr. Hendrik Schröder: Wir erleben mittlerweile die zweite oder dritte Welle, in der deutsche Lebensmittelhändler den Weg zu den Online-Shops suchen. Neue und überarbeitete Geschäftsmodelle sollen dazu beitragen, die Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen. Lebensmittelhändler aus dem stationären Sektor tun sich mit einem Partner aus dem Online-Bereich zusammen, um ihren Kunden das Onlineshopping zu ermöglichen. Hierfür steht z. B. seit 2010 die Kooperation von Tegut und Gourmondo. Des Weiteren finden sich Händler, die neben ihren stationären Geschäften eigene Online-Shops betreiben, wie etwa lofex.de von Konsum Leipzig. Darüber hinaus richten Filialsysteme und kooperierende Gruppen zentrale und dezentrale Lösungen ein. Beispiele sind Kaiser's Tengelmann in den Regionen Berlin und München, Real sowie Edeka mit mehreren Online-Shops wie edeka-direkt.de und edeka24.de. Bei Rewe Express kann man seit 2010 die Ware online bestellen und sie dann im Geschäft abholen, Ende 2011 soll auch Direktbelieferung möglich sein.

Sind die immer wieder angeführten Beispiele aus England, Schweiz und den USA wirklich wegweisend?
Die Entwicklung in anderen Ländern anzusehen, kann nie falsch sein. Hier lassen sich Anregungen für die eigenen Märkte finden. Man wird aber jedes Mal sorgfältig prüfen müssen, ob sich Konzepte aus dem Ausland oder aus anderen Branchen erfolgreich auf die eigene Unternehmung übertragen lassen. Maßgeblich sind die jeweiligen Rahmenbedingungen, vor allem die Kundenbedürfnisse, die Kaufkraft sowie die Dichte und die Intensität des Wettbewerbs.

Bieten Multichannel-Strategien im LEH auf lange Sicht Potenzial oder werden sie Zuschuss- und Prestigeprojekte bleiben?
Es kommt nicht zwingend darauf an, dass der Online-Shop für sich alleine betrachtet schwarze Zahlen schreibt. Das ist im Übrigen auch eine Frage der Zurechnung von Kosten und Erlösen. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Multichannel-Retailer seinen Kunden mehr bietet als ein Einkanal-Betreiber: Das ist vor allem die freie Wahl, wann die Kunden was in welchem Kanal einkaufen wollen.

Gräbt sich der Händler mit unterschiedlichen Vertriebskanälen nicht selbst das Wasser ab (Stichwort Kannibalisierung)?
Schicken wir eines voraus. Die technischen Voraussetzungen der Logistik, die vielfältigen Applikationen der Online-Shops sowie die stationären und mobilen Zugänge der Kunden zu den Online-Shops bieten heute jedem Händler Chancen, seinen Markt zu erweitern. Ergreift er sie nicht, tut es sein Konkurrent. Aber nicht jeder Händler, der nun online geht, wird ein Gewinner sein. Der Kuchen kann eben nur einmal verteilt werden. Insoweit kann und wird es dazu kommen, dass der Online-Kanal den Umsatz des stationären Kanals kannibalisiert. Hat der Händler aber keinen Online-Kanal, drohen ihm Teile seines Umsatzes an die im Internet vertretenen Konkurrenten verloren zu gehen. Das können auch Lebensmittelhändler sein, die nur Online-Shops betreiben, wie z.B. froodies.de, food-shop24.com und amorebio.de.

Wie kann er mit Multichannel-Aktivitäten neue Kunden gewinnen und halten?
Das A und O ist die verlässliche Logistik: Die richtige Ware in der richtigen Qualität zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der zweite Punkt ist, zu entscheiden, welche Waren nur online und welche nur im stationären Geschäft angeboten werden. Am einfachsten zu kommunizieren ist es, wenn Online- und Offline-Sortiment identisch sind. Der dritte Punkt betrifft die Preise. Es gibt zahlreiche Preismodelle für Online-Käufe. Wichtig ist, dass das Preismodell einfach und verständlich ist sowie von den Kunden als gerecht empfunden wird. Der vierte Punkt: Klarheit und Wahrheit in der Kommunikation.

Wie sollte die Kundenansprache aussehen?
Wesentlich ist, die Kommunikation der Kanäle aufeinander abzustimmen. Widersprüchliche Aussagen, z. B. über die Höhe der Produktpreise, können die Kunden misstrauisch machen. Und in der als virtuell bezeichneten Welt ist kaum etwas wichtiger als Vertrauen.

Welche Knackpunkte tun sich für Sie auf?
Hier will ich noch einmal die Logistik ansprechen. Empfindliche Produkte wollen angemessen verpackt werden, etwa um die Kühlkette zu sichern oder um Druckstellen zu vermeiden. Zu klären ist auch das Angebot der Lieferorte. Soll es die Anlieferung an einen beliebigen Ort sein, die Nutzung von Pick-up-Stationen oder die Abholung im Geschäft? Könnten sich Kunden das Angebot wünschen, würden sie wohl für ein Nebeneinander aller Lösungen plädieren. Dies dürfte sich aber kaum rechnen. Hier muss der Händler herausfinden, welche Lösung für ihn den größten Erfolg verspricht.

Könnten die soziodemografischen Veränderungen in unserer Gesellschaft diese Absatzkanäle in ein neues Licht rücken?
Es gibt eine Reihe von Veränderungen: neue Arbeitszeitmodelle, die Tendenz zu mehr als einer Arbeitsstelle, die geringere Mobilität mancher Kundengruppen – das müssen nicht nur Ältere sein – und der Wunsch, weniger Zeit mit dem Einkaufen von Lebensmitteln verbringen zu müssen. Diese Einflüsse sprechen klar für den Betrieb von Online-Shops.

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Prof. Dr. Hendrik Schröder ist seit 1996 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing & Handel, an der Universität Duisburg-Essen (www.marketing.wiwi.uni-due.de). Zudem leitet er das Forschungszentrum für Category Management in Essen (www.cm-net.wiwi.uni-due.de). Seine Arbeitsgebiete sind u. a. Käuferverhalten, Marktforschung, Handelsmanagement und Handelscontrolling sowie Multichannel-Retailing.

{tab=Handel trifft Hochschule}

„Multichannel Retailing – Handel(n) in allen Kanälen" ist das Thema der Gemeinschafts-Veranstaltung des Lehrstuhls für Marketing & Handel, Universität Duisburg-Essen, und der LEBENSMITTEL PRAXIS im Rahmen der Reihe „Handel trifft Hochschule". Sie richtet sich an Studenten und Händler. Teilnehmen werden u. a. Obi, Douglas, Peek & Cloppenburg sowie IRI Symphony.

Termin: 13. Mai 2011, 12 bis 16 Uhr, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen, Glaspavillon R12, Info: Peter Eifler (Tel. 0201/1833575); Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.; www.conpract.de

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Bild öffnen E-Shopping mit dem iPad (Bildquelle: Hoppen)
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