Trendforschung Inspiration oder Irrweg?

Ergebnisse der Trendforschung haben hohe Aufmerksamkeit. Doch es gibt auch Kritiker. Deren Überzeugung: Die Aufmerksamkeit ist alles andere als angebracht.

Freitag, 26. Februar 2021 - Management
Thomas Klaus
Artikelbild Inspiration oder Irrweg?
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Kritik an Trendgläubigkeit. Dr. Holger Rust kann es nicht lassen. Anfang 2021 erscheint ein weiteres Buch des Ex-Professors für Wirtschaftssoziologie – und wieder wird es sich darin um Trend- und Zukunftsforschung drehen. Die Kritik daran ist das Leib- und Magenthema des 74-jährigen Wissenschaftlers (siehe Beitrag:"Unterhahltsam, aber überflüssig").

Viele Praktiker aus der Lebensmittelwirtschaft riskieren gerne einmal einen Blick in die diversen Foodtrend-Studien, die regelmäßig veröffentlicht werden – und lassen sich mehr oder weniger stark von ihnen inspirieren. Zu den bekanntesten Werken gehören der jährliche „Food-Report“ der Zukunftsforscherin Hanni Rützler und die Analysen ihrer Kollegin Karin Tischer. Sowohl Rützler als auch Tischer betonen, wie viele Quellen sie anzapfen und wie viele Vor-Ort-Studien im In- und Ausland sie ausführen, bevor sie bestimmte Trends prognostizieren.

Die Referenzlisten dieser beiden Expertinnen – die viele Kolleginnen und Kollegen haben – sind lang. Hanni Rützler zum Beispiel war Mitbegründerin des Verbandes der Ernährungswissenschaften Österreichs, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung und Lehrbeauftragte an der Medizinischen Universität Graz. Und Karin Tischer arbeitet eng mit den Machern der Fachmesse Internorga zusammen, für die sie die Studie „Food-Zoom“ erstellt und das Trendforum „Pink Cube“ gestaltet. Ihre Stimmen haben Gewicht: Das ganze Jahr über werden Hanni Rützler und Karin Tischer zu Vorträgen eingeladen, beraten Unternehmen, entwickeln Rezepte und individuelle Konzepte.
Dass Karin Tischer mit ihrer Firma Food & More bereits seit fast 25 Jahren am Markt vertreten ist und Hanni Rützler mit ihrem Futurefood-Studio schon fast genauso lange arbeitet, zeigt für sich allein genommen: In der Lebensmittelwirtschaft besteht eine kontinuierliche Nachfrage; die Trend-Vorhersagen fallen dort auf fruchtbaren Boden. Auch Branchenverbände nutzen die Ergebnisse der Trendforschung. So referiert Hanni Rützler gerne beim Thinktank-Symposium Feines Essen + Trinken. Und erst im März 2020 veröffentlichte das Lebensmittelchemische Institut des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie ein Rützler-Dossier unter dem Titel „Was essen wir morgen?“.
Trendforschung wird also von den Praktikern der Lebensmittelwirtschaft durchaus wahrgenommen und ernst genommen. Doch Dr. Holger Rust ist das gar nicht recht. Er meint: „Die Aufmerksamkeit für Trendprognosen in der Lebensmittelwirtschaft und anderswo steht in keinem Verhältnis zu den dürftigen Inhalten. Die Mehrzahl der vorgeblich wissenschaftlichen Befunde ist längst bekannt oder einfach nur sehr simpel – und oft sogar falsch.“ Trendforschung – sie sei zwar unterhaltsam, aber überflüssig.