Lebensmitteltests und -Rankings Zu hohe Messlatte

Zwei Verbände der Lebensmittelwirtschaft befürchten, dass durch „unerreichbare Standards“ Verbraucher verunsichert und zur Lebensmittelverschwendung getrieben werden.

Freitag, 16. Juni 2023 - Management
Thomas Klaus
Artikelbild Zu hohe Messlatte
Bildquelle: Getty Images

Gedruckte oder gesendete Lebensmitteltests und Lebensmittelrankings stehen oben in der Verbraucher-Gunst: Allein die Reichweite der Monatszeitschrift „Öko-Test“ (rund 122.000 Stück) wird vom Verlag mit 1,27 Millionen Lesern pro Ausgabe beziffert; hinzu kommen 1,65 Millionen Online-Nutzer pro Monat. Und die Zeitschrift „Test“ der Stiftung Warentest bringt es sogar monatlich auf 334.000 verkaufte Exemplare.

Doch richten die Tests und Rankings womöglich großen Schaden an? Führen sie Konsumenten in die Irre, indem sie ein falsches Bild von der Lebensmittelqualität zeichnen? Fördern Tests und Rankings am Ende die Verschwendung von Lebensmitteln nach dem Motto: „Das ist mir jetzt zu heikel; das werfe ich lieber weg“? „Ja, zumindest zum Teil“ – antworten die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) und der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS). In einer gemeinsamen Erklärung rufen sie dazu auf, „Lebensmittel nicht einseitig abzuqualifizieren, wie es durch Lebensmitteltests geschieht“, so VGMS-Geschäftsführer Peter Haarbeck.

Von Lebensmitteln, die alle gesetzlichen Vorgaben einhalten, geht aus Sicht von AöL und VGMS keine Gesundheitsgefahr aus. Deshalb könnten sie bedenkenlos verzehrt werden. Medien, die etwa durch „skandalisierende Überschriften“ und „willkürlich gesetzte Standards“ einen anderen Eindruck erweckten, sollten umdenken. Zum Beispiel müssten Lebensmittelunternehmen eine Überprüfung oder Wiederholung der Überprüfungen einfordern dürfen. Sinnvoll wäre eine unabhängige Kompetenzstelle für Lebensmitteltests.

Handlungsbedarf gegen „Ängste-Schürung“
AöL und VGMS sehen einen „dringenden Handlungsbedarf“. Nach LP-Informationen wollen sich die beiden Verbände im Rahmen einer Kampagne gegen das „Schüren von Ängsten“ wenden. Unter anderem planen sie für den Spätsommer oder Herbst einen Kongress. Vor dem Kampagnenstart halten sich AöL und VGMS mit Details zu ihren Vorwürfen zurück. Aber wer in die Materie eintaucht, erahnt, woran es aus ihrer Sicht hapert.

Beispiel Cadmium: Spuren lassen sich in vielen Regionen nicht vermeiden, weil sich das Schwermetall als natürlicher Bestandteil des Ausgangsgesteins in den Böden festsetzt. Weiteres Beispiel Mineralölkohlenwasserstoffe: Die kommen ebenfalls flächendeckend in der Umwelt vor. Ihre Rückstände in Lebensmitteln sind somit nachweisbar. Bei der Untersuchung gilt es als herausfordernd, wenn natürliche, pflanzeneigene Substanzen oder andere Verbindungen nicht mit erfasst beziehungsweise sicher von Mineralölkohlenwasserstoffen unterschieden werden sollen. Dazu braucht es meistens teure Sonderanalysen: Halten sich die Tester und Testmedien daran?

„Öko-Test“ meint: „Latte hängt zu niedrig“
Besonders ärgern sich Kritiker von Lebensmitteltests und -rankings über die Standards der Testmagazine. Angeblich sind diese zum Teil unerfüllbar hoch, weil die zugrunde liegenden Werte sehr niedrig sind. Verbraucher gehen – argumentieren die Kritiker – häufig davon aus, dass die Kriterien den gesetzlichen Standards entsprechen und abgewertete Produkte demzufolge ungesünder sind. Ebenfalls Stein des Anstoßes: Testergebnisse seien in vielen Fällen Momentaufnahmen einzelner Stichproben.

Katja Tölle lassen die Vorwürfe kalt. Die stellvertretende „Öko-Test“-Chefredakteurin findet: „Die Latte hängt zu niedrig“, sofern sich AöL und VGMS an die rechtlich gesetzten Höchstwerte klammern. Katja Tölle sagt im LP-Gespräch: „Dass Lebensmittel die gesetzlichen Vorgaben einhalten, also überhaupt legal verkauft werden dürfen, erwarten wir selbstverständlich von allen Produkten. Alles andere wäre schließlich verboten.“ Bis Schadstoffe ihren Weg in die gesetzliche Regulierung fänden, dauere es oft Jahre bis Jahrzehnte. Die Gefahren dieser Belastungen seien jedoch schon heute bekannt. Deshalb werde „Öko-Test“ weiterhin konsequent Belastungen abwerten. Das läge im Sinne eines „vorbeugenden Verbraucherschutzes“.